Finanzminister Eichel: "Der Euro ist stabiler, als die Mark je war"

Der Euro in der Krise?

In nur 15 Monaten verspielte der Euro durch ständigen Kursverfall einen Großteil seiner Vorschußlorbeeren. Wirtschaftsexperten befürworten nun weitere Zinserhöhungen un den Verkauf von Devisen, um den Kursverlauf wieder anzukurbeln. Ist eine Korrektur der EZB-Politik notwendig?


Gut eindreiviertel Jahre nach seiner Einführung steht der Euro deutlich unter der Parität zum Dollar und ein Ende der niedrigen Wechselkurse ist nicht in Sicht. Analysten gehen gar von einem weiteren Verfall der anfangs noch so umjubelten Währung aus, wenn nicht schnell und konsequent Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Gerade die psychologisch orientierten Finanzmärkte wenden sich dem bekanntermaßen für wirtschaftliches Wachstum stehenden US-Dollar zu.

Die Ziele des Euro sind so klar wie notwendig: einen einheitlichen und inzwischen sogar einigermaßen homogenen Wirtschaftsraum mit einer einzigen Binnenwährung auszustatten, um so den Handel zwischen den Ländern der Euro-Zone und die Konkurrenzfähigkeit Europas abzusichern. Nur so kann die Euro-Zone als Gestalter in der globalisierten Weltwirtschaft mitwirken, ohne sich mit internen Streitigkeiten über Wechselkurszielzonen zu belasten, wie dies noch zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts der Fall war.

Zwar liegen in der Schwäche des Euro Vorteile vor allem für den Export, doch BDI-Chef Henkel warnt vor diesem "süßen Gift". Durch die immer teurer werdenden Importe, gerade Rohstoffe und Energie werden international zumeist in Dollar abgerechnet, wird die Inflationsgefahr deutlich gefördert. Somit ist der momentane Wettbewerbsvorteil auf dem internationalen Parkett auch für deutsche Unternehmen nur die eine Seite der Medaille, und irgendwann wird dieser Selbstbetrug auffliegen.

Da Europa einen Großteil seines Handels jedoch intern ausführt, sinkt die Außenhandelsquote und damit die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Außenwert der gemeinsamen Währung. Nicht zuletzt deswegen legt die Europäische Zentralbank (EZB) unter Wim Duisenberg viel Wert auf die Preisstabilität im Euroland. Denn eines haben viele Länder über lange Jahre hinweg nicht gekannt: niedrige Inflationsraten um 2 Prozent. Mag dieser Wert nach den Rekorden Deutschlands im vergangenen Jahr hoch erscheinen, auf Dauer wäre es ein sichtbares Zeichen der Stabilität des Euro.

Doch wie kam es überhaupt zu dem Wertverlust des Euro, der gemessen am Dollar seit Anfang 1999 inzwischen über 20 Prozent beträgt? Gründe dafür gibt es viele. Von Anfang an hatte der Euro schlechte Karten, da der Dollar Ende 1998 zur Einführung des europäischen Hoffnungsträgers selber auf Grund der Rußlandkrise und der Pleite eines Hedgefonds stark an Wert verlor und eine Erholung des Dollarkurses damals schon offensichtlich war. Darüber hinaus aber können die USA für jedes neue Quartal ein noch höheres Wirtschaftswachstum melden, zuletzt lag dieses bei fast 7 Prozent. Europa hingegen schwächelt unter 3 Prozent Wachstum und lädt sich aus politischen Gründen gleich neuen Ärger auf. Durch die wichtige Osterweiterung werden neue, wirtschaftlich auf recht wackeligen Beinen stehende Staaten in das gemeinsame Boot Europa geholt, neue Subventionen gerade im Agrarbereich sind unabdingbar. Deshalb ist wichtig, daß die beiden Themen, der finanzpolitische und der Bereich der EU-Erweiterung, deutlich getrennt bleiben.

Noch scheint dies zu gelingen. Finanzminister Eichel bestätigt, daß bei den Treffen mit seinen Amtskollegen stets die Haushaltspläne zweier Mitgliedsstaaten durchgesehen werden. "Dies ist keine angenehme Veranstaltung", so der deutsche Finanzminister. Nun müssen die Regierungen beweisen, daß die zuletzt wieder auf dem Sonderwirtschaftsgipfel der EU-Regierungschefs in Lissabon geforderten Reformen durchgeführt werden.

Neben einer Strukturreform und den Plänen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit fordert vor allem Norbert Walter von der Deutschen Bank seit nun einem dreiviertel Jahr immer wieder zu Dollarverkäufen durch die EZB auf. Sie hält immerhin 200 Mrd. Dollar als Reserve im Keller, zufälligerweise in etwa soviel wie das amerikanische Leistungsbilanzdefizit ausmacht. Doch derartige Stützkäufe haben sich seit langem als maximal kurzfristig dienbares Mittel herauskristallisiert, schließlich forderte Walter eine solche Maßnahme bereits bei einem Eurostand von 1,08 Dollar im vergangenen Juni. Auch weitere Zinserhöhungen sind mit Vorsicht zu genießen, da sie der Inflation weiteres Potential liefern. Sicherlich muß die Euro-Zonen gegenüber dem Dollar attraktiver werden, doch ohne politische Vorgaben wird dies kaum gelingen.

Die Zukunft des Euros wird von den verschiedenen Experten unterschiedlich, überwiegend jedoch optimistisch betrachtet. So scheint ein Absacken des Eurokurses auf Werte um 80 ct. durchaus möglich, auch wenn dies heute noch als Schreckgespenst gelten mag. Auf längere Sicht wird jedoch das europäische Wachstum von nunmehr geschätzten 3 Prozent auch den Euro wieder beflügeln, und so sehen Prognosen knapp über einem Dollar bis zum Ende des Jahres nach heutigem Ermessen sehr realistisch aus. Der Wechselkurs sei immer auch "diskontierte Zukunftserwartung", sagt der Präsident der Landeszentralbank in Bayern, ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft Europas also. Es muß der Eindruck vermieden werden, daß Europa seine Probleme nicht anzugehen bereit ist. Durch Wachstum und EU-Reformen läßt sich der Euro bei weitem besser und nachhaltiger stützen, als durch voreilige Zinsanpassungen oder Devisenverkäufe.


© Jörg Steinhaus 2000
erschienen in Kronos. Nr. 4. April 2000. Wirtschaft. Seite 4.

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