Zeit für den günstigsten Einstieg im Mai oder Juni nach dem Crash am Neuen Markt?

Geld verdienen an der Börse!?

Die gerade vergangenen Neunziger Jahre waren das Jahrzehnt der Aktien. Spätestens seit dem Erfolg der Telekomaktie 1996 zieht es scheinbar das ganze Volk an die Börse. Die Anlagesicherheit der Deutschen wird abgelöst durch einen Investitionsboom, bereits mit wenigen tausend Mark wird spekuliert. Doch wie funktioniert die vermeintliche Gelddruckmaschine Börse? Was ist der Unterschied zwischen Aktien und Aktienfonds? Wo liegen die Risiken und Chancen und worauf sollte gerade der unerfahrene Anleger achten?


Aktien sind verbriefte Anteile an Unternehmen. Gehandelt werden diese an der Börse über einen Makler, für den Privatanleger zumeist seine Bank, nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Daraus können sich gerade bei kleinen und nicht so stark gehandelten Aktien deutliche Kursschwankungen ergeben, weswegen sich für jede Order ein Limit empfiehlt.

Wer nicht gleich direkt in Aktien investieren möchte, kann sich über das vielfältige Fondsangebot informieren. Aktienfonds sind gemanagte Wertpapieransammlungen. Viele Interessenten stellen so ihr Kapital einem Verwalter zur Verfügung, der je nach Ausrichtung des Fonds das Risiko durch eine breite Streuung der Anlagen verringern oder durch eine bessere Marktübersicht auch unbekanntere und ausländische Werte in das Depot mit aufnehmen kann. Die meisten deutschen Banken bieten eigene Fonds mit großer Sicherheit, aber auch nur geringen Renditen zwischen 8 und 15 % an.

Depot und Strategie
Zur Verwaltung seiner Aktien benötigt der Aktionär ein gesondertes Konto bei einer Bank. Die Kosten für dieses Depot sind abhängig vom Wert der darin enthaltenen Aktien und von der Bank, die Mindestgebühren liegen um 30 DM pro Jahr. Wer an der Börse investieren will, sollte sich über seine persönlichen Vorlieben und Risiken klarwerden. Trader und Spekulanten achten auf kleinste Kursänderungen und halten ihre Aktien oft nur Stunden oder Tage. Dazu muss man allerdings die verschiedenen Märkte ständig beobachten und über die entsprechende Erfahrung verfügen.

Auch private Käufer unterscheiden sich oft nach der Dauer ihrer Anlage. Der spekulative Typ wird eine Aktie eher nur für einige Monate - eventuell über die Steuerfrist für Spekulationsgewinne von einem Jahr - kaufen und danach sein Depot umstrukturieren, während der langfristig-orientierte Anleger vor allem von Alterssicherung ausgeht und Aktien für Jahre oder gar Jahrzehnte liegen lässt. Wichtig ist in allen Fällen aber eine breite Streuung der einzelnen Werte. Niemals sollte man sein gesamtes Kapital nur in eine Firma oder Branche stecken, besser ist es, je nach Vermögen sein Geld auf mehrere und vor allem unterschiedliche Werte zu verteilen. Es kann zwar auch ein spekulativer Wert oder ein Optionsschein dabei sein, obendrein einige festverzinsliche Rentenpapiere können jedoch nicht schaden.

Welche Aktien?
Vor dem Kauf einer Aktie steht die Bewertung des Kurses. Dazu zählen vor allem die Charttechnik und die Analyse von Unternehmenszahlen. Charts sind Verlaufskurven der Entwicklung einer Aktie oder eines Marktes, bekannt ist die Linie des DAX an der Frankfurter Börse. Diese Methode ist jedoch aufwendig und erfordert einige Übung, hat aber auch den Vorteil sehr flexibel nach den Wünschen des Aktionärs einsetzbar zu sein. Somit lassen sich aussagekräftige Trends einer zukünftigen Kursentwicklung feststellen. Zu den analysierbaren Zahlen eines Unternehmens gehören vor allem Börsenwert, Umsatz, Gewinn und KGV. Gerade am Neuen Markt ist das KGV aber mit Vorsicht zu genießen, da viele Firmen noch keine schwarzen Zahlen schreiben. Zukunftsreiche Branchen sind zudem oft höher bewertet als traditionelle Bereiche, hier kann sich etwas Aufmerksamkeit beim Vergleich lohnen.

Neben der Beratung in der Bank sollte zur Bewertung von Aktien vor allem die Lektüre der zunehmenden Zahl von Fachzeitschriften herangezogen werden. Diese richten ihre Augen nicht nur auf die Analyse von großen wie kleinen Unternehmen, sondern führen oft auch Musterdepots, an denen sich unerfahrene Anleger orientieren können. Auch die Börsensendungen verschiedener Fernsehsender sind gute Nachrichtenlieferanten, nicht zu vergessen das Internet, in dem man die meisten Informationen erhält. Doch Obacht, nicht jeder heiße Tipp verspricht dann auch die entsprechenden Gewinne, denn eine Kaufentscheidung sollte nur in den seltensten Fällen spontan und aus dem Bauch heraus getroffen werden.

Order und Limit
Um "seine" Aktie nun zu erwerben muss der private Anleger bei einer Bank seine Order zum Kauf oder später auch zum Verkauf abgeben. Dabei unterscheiden sich die ortsansässigen Banken und Sparkassen von Direktbrokern oft deutlich durch ihre Gebühren. Während man per Telefon oder Internet oft unter 20 DM pro Order davonkommt, verlangen die großen Banken zumeist eine Mindestprovision um 50 DM, und zwar jeweils für Kauf und Verkauf von Anteilen. Gerade bei kleineren Ordern kann dies problematisch sein, da diese Provision nachträglich durch den Kursgewinn verdient werden muss, ebenso bei ausländischen Papieren, bei denen oft eine Fremdgebühr hinzukommt, so dass Order schnell um 100 DM kosten.

Nicht nur anfangs, sondern auch später bei Nebenwerten empfiehlt sich das Setzen eines Limits für die Order, damit man nicht durch plötzliche Kursschwanken viel zu hohe Preise zahlt oder deutlich zu wenig Geld für seine Aktien erhält. Darüber hinaus sind persönliche Stoppkurse anzuraten, bei denen man verkauft, auch wenn dies einmal einen Verlust bedeutet.

Die aktuelle Lage
Zur Zeit ist das Pflaster für den Einstieg in die Börsen sehr heiß. Der MACD-Trend spricht eindeutig für eine Baisse, einen deutlichen Verlust auch am DAX. Es bleibt abzuwarten, ob der Frankfurter Index die Marke von 8000 Punkten überspringen und einige Zeit halten kann. Im Moment sieht es eher nach einem vorsichtigen Abwarten an den weltweiten Märkten aus. So sollte man dem DAX die Zeit geben, bei grob 6.800 Punkten seinen Boden zu finden, wie dies im Mai oder Juni der Fall sein wird. Dann erst ist der optimale Zeitpunkt für den Kauf gegeben.

Und welche Werte sind dann zu empfehlen? Momentan vor allem die Blue Chips aus den Bereichen Chemie, Versorgung und Automobilhersteller, also Bayer, Schering, Viag, MAN, IKWA und DaimlerChrysler. Auch die Lufthansa-Aktie zeichnet sich durch deutliches Potenzial aus, birgt aber auch ein höheres Risiko. Wer etwas spekulativer an den Neuen Markt gehen möchte, dem kann man zu Zulieferfirmen und Maschinenproduzenten wie Fortec Elektronik, Singulus Technologies oder Antwerpes raten. Mit Vorsicht zu genießen sind jedoch einige Technologietitel wie Telekom, Siemens und SAP, und auch der Neue Markt ist noch immer nicht frei von Schnäppchenjägern. Die beste Strategie bleibt jedoch weiterhin, ein wachsames Auge auf die gesamte Nachrichtenlage zu haben, denn auch politische Ereignisse lassen die Börse nie kalt.


© Jörg Steinhaus 2000
erschienen in Kronos. Nr. 5. Mai 2000. Wirtschaft. Seite 6.

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