Trotz vielfältiger Bemühungen sinkt der Kurs des Euro weiter

Die neue Normalität des Euro

Auch weiterhin meldet der Euro fast täglich neue Verluste, doch die Zentralbanker treten nur an die Öffentlichkeit, um diese zu beruhigen, nicht um konkrete Schritte gegen den Verfall ihrer Währung zu nennen. Zudem beteuert auch die Politik immer nur ihre Nichteinmischung, neue Vorgaben sind kaum zu erwarten. Welche Schritte sind jedoch möglich oder gar nötig?


In den vergangenen zwei Monaten setzte der Euro seine Talfahrt fort, schließlich durchbrach er die Marke von 90 Cent und bewegt sich weiter auf niedrigem Niveau. Welches Mittel die Europäische Zentralbank (EZB) auch wählt, die Devisenmärkte honorieren es nicht. So blieb die Zinserhöhung Ende April ohne Wirkung auf den Kurs. Vielmehr geraten die Zentralbanker unter Druck, da die US-Notenbank Fed einige Tage später ihre Zinsen ebenfalls, und zwar deutlich um einen halben Prozentpunkt, anhob.

Zwar ist die EZB bestrebt, die Zinsdifferenz zwischen den beiden Währungen nicht zu groß werden zu lassen, doch ist eine solch starke Erhöhung angesichts der niedrigen Inflationsrate in Europa momentan kaum denkbar. Auch will die EZB der Fed aus taktischen Gründen nicht hinterherhinken. Klar ist, dass der niedrige Eurokurs keineswegs die wirtschaftliche Lage Europas mit seinen boomenden Börsen wiederspiegelt. Nun spricht alles dafür, dass ein Wechsel beim Ausgabeverfahren der EZB ansteht. Zur Zeit gilt der sogenannte Mengentender mit festem Zinssatz. Durch immer stärkere Überbietungen hierbei werden jedoch gerade die kleineren Kreditinstitute benachteiligt. Vermutlich wird also der EZB-Zentralbankrat Anfang Juni beschließen, zum Zinstender überzugehen.

Keine Einmischung der Politik

Ob dies hilft, bleibt abzuwarten. Entgegen der Kritik der Eurogegner wird es jedoch auf absehbare Zeit keine Einmischung der Politik in die Maßnahmen der EZB geben. Eine kürzlich getroffene Entscheidung der EU-Finanzminister, der Zentralbank bis zu weitere 100 Milliarden Euro an Reserven zu erlauben, war schon länger geplant. Mag sich so mancher Euroskeptiker angesichts der Schwäche der Gemeinschaftswährung bestätigt fühlen, wirklich eingetreten sind seine Kritikpunkte, mangelnde Unabhängigkeit der Zentralbank und lasche Haushaltspolitik in den Mitgliedsländern, nicht. Ganz im Gegenteil. Vielmehr hat die finanzpolitische Nüchternheit und Logik des neuen italienischen Regierungschefs Giuliano Amato vor dem Frühjahrstreffen des IWF seine damaligen Kollegen von einer Erklärung abgehalten, die den Euro unterstützen sollte. Die europäischen Finanzminister wollten zusammen mit ihren Verbündeten aus den USA und Japan verkünden, wie groß ihr Interesse an einem starken Euro sei. Amato jedoch befürchtete, dass gerade eine solche Rechtfertigung den Euro weiter unter Druck setzen würde, da sie nicht viel mehr als ein Eingeständnis tatsächlicher Schwäche gewesen wäre. Der Plan wurde eingestampft und als geheim eingestuft.

Zurecht, denn einer der Hauptgründe für die Einführung der gemeinsamen Währung zeigt jetzt seine Vorzüge: den Großteil des Außenhandels wickeln die Länder der Eurozone untereinander ab und zwar in Euro. In den Vordergrund rückt damit das Interesse an der Preisstabilität, das hat die EZB oft genug deutlich gemacht. Somit besteht zwar weiterhin die Möglichkeit den Euro durch Verkäufe von Dollar-Reserven und mit Hilfe der außereuropäischen Partner zu stützen, doch setzt die EZB dieses Mittel nicht ein. Zu hoch ist die Gefahr, dass ein falscher Zeitpunkt der Unterstützung dem Kurs mehr schadet als nützt. Die Aktion würde verpuffen und die eventuell später zum Zeitpunkt einer Trendwende notwendigen Kraftreserven würde fehlen.

Duisenberg in der Kritik

Zunehmend problematisch wirkt dennoch das Auftreten von Zentralbankchef Wim Duisenberg. Er erscheint wenig selbstbewusst, zeigt sich mit einem Wachstum von 3 Prozent mehr als zufrieden und lehnt Interventionen auf jeden Fall ab. Eine solche Eindeutigkeit mögen die Devisenmärkte allerdings gar nicht. Sie leben von Spekulationen und müssen sich in der ständigen Gefahr wähnen, deutliche Verluste zu machen. Somit werden Forderungen nach seinem Rücktritt lauter. Doch auch sein potenzieller Nachfolger, der Franzose Jean-Claude Trichet, ist durch ein Ermittlungsverfahren stark angeschlagen. Eine Personalentscheidung steht den Europäern somit früher oder später ins Haus, deren Ausgang sich deutlich auf den Kurs der Währung auswirken könnte.

"Der Euro ist unsere Währung"

Immerhin kommen auch von außerhalb unzufriedene Äußerungen. So fordert der neue Rover-Chef John Towers die britische Regierung auf, gegen den hohen Kurs des Pfunds vorzugehen. Dieses sei für die Probleme der britischen Exportwirtschaft verantwortlich. Mitte Mai hatte aus demselben Grund Ford Europa beschlossen, Teile seiner Produktion von England nach Deutschland zu verlagern. Für die Hüter des Euro eigentlich ein Grund zur Gelassenheit. Früher hatten stets die Amerikaner den Außenwert ihrer Währung einer wohlwollenden Nichtbetrachtung unterzogen. Die heutige Gelassenheit der Zentralbanker geht von einem ähnlichen Standpunkt aus; einen Spruch des früheren US-Finanzministers Conally abwandelnd, kann man zumindest den Engländern gegenüber sagen: "Der Euro ist unsere Währung und Euer Problem."


© Jörg Steinhaus 2000
erschienen in Kronos. Nr. 6. Juni 2000. Wirtschaft. Seite 4.

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