Geld fürs Volk
Wie jedoch kommen die gigantischen Geldmengen unters Volk? Wird es einen Run auf die neue Währung geben wie dereinst bei der Einführung der DM in den neuen Bundesländern 1990? Wohl kaum. Damals hatten sich bereits in der Nacht zum ersten Juli rund 10.000 Menschen am Ostberliner Alexanderplatz versammelt, um eine Filiale der Deutschen Bank zu stürmen, die bereits am Mitternacht Geld umtauschte. Bei den tumultartigen Szenen wurde niemand ernsthaft verletzt, doch einem solchen Andrang wollen die Banker diesmal aus dem Wege gehen. Doch schon die Aufbewahrung der Milliarden neuer Scheine und Münzen stellt Probleme dar, ebenso die Sicherheit der Transporte zu den Banken. Auch ein schwerer Winter mit massiven Schneefällen in den ersten Januartagen zieht in die Überlegungen ein.
Aus politischen Gründen soll die eigentliche Umtauschzeit, für die anfangs eine Spanne von sechs Monaten bis Mitte 2002 vorgesehen war, auf nur acht Wochen reduziert werden. Vor allem der Handel verspricht sich Vorteile davon, möglichst schnell alle Bargeschäfte in Euro abzuwickeln, und das komplette Wechselgeld von Anfang nur noch in den neuen Scheinen und Münzen auszugeben, um so eine Verwirrung durch das Nebeneinander zweier Währungen zu verhindern. Zum Zeitpunkt des Umtausches werden nach Schätzungen der Banken Noten im Wert von 258 Milliarden DM im Umlauf sein, zusätzlich zu den wohl gut 100.000 Tonnen wiegenden Münzen im Wert von weiteren 28 Milliarden DM, den die Bürger zu den Banken tragen werden.
Der Einsatz der Bundeswehr
Und damit ergeben sich große logistische Probleme bei der Verteilung des neuen Geldes. Zwar dürfen Handel und Banken bereits vier Monate vor der Einführung mit dem Euro beliefert werden, doch allzu große Lagerkapazitäten sind nicht vorhanden, da zudem auch die DM-Bestände gelagert werden müssen. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) fordert deswegen den Einsatz der Bundeswehr. Neben einem potentiellen Schutz der Transporte durch Soldaten, verfügt das Heer über gut bewachte und großzügige Lagerkapazitäten. Diese könnten sowohl für die gedruckten und geprägten Euros als auch für die später einzusammelnden DM-Bestände verwendet werden. Verteidigungsminister Scharping pocht jedoch auf eine finanzielle Vergütung für den Einsatz seiner Truppe. Es gehe nicht, dass die Bundeswehr einerseits finanziell knapp gehalten, andererseits aber ihre Hilfe wie selbstverständlich in Anspruch genommen werde, so Scharping. Zudem sei es Aufgabe der Polizei, die Transporte zu bewachen, die Bundeswehr könne allenfalls Lkw oder Lagerflächen zur Verfügung stellen.
Dies wiederum sieht das Kreditgewerbe nicht ein, die Kosten seien einfach zu hoch. In anderen europäischen Ländern werden die Banken bei der Umstellung auf staatliche Hilfe zurückgreifen können, so in Frankreich, wo wahrscheinlich die Armee zur Bewachung von Euro und Franc eingesetzt wird. Immerhin geht der BdB von einer Belastung seiner Institute in Höhe von 6,7 Milliarden DM aus, was einer Summe von gut 140.000 DM pro Filiale einer jeden Bank und Sparkasse entspricht.
Euro weiter schwach
Ungeachtet dieser Diskussion kann sich der Euro aber auch weiterhin von seiner derzeitigen Schwäche nicht erholen. Weiter dümpelt er zwischen 80 und 90 Cent. Die Erwartungen der meisten Kreditinstitute, er würde bis zum Jahresende die Parität zu Dollar wieder erreichen, werden wohl nicht aufgehen.
Doch was die Europäische Zentralbank (EZB) auch versucht, die Märkte zeigen sich einigermaßen unbeeindruckt. So verpuffte der überraschende Verkauf von Devisen, vor allem US-Dollar, im Wert von 2,5 Milliarden Euro so rasch wie er zuerst den Kurs ein wenig nach oben korrigierte. Eine ernst gemeinte Intervention in den Devisenmarkt war dieser Verkauf ohnehin nicht, vielmehr handelte es sich um die Veräußerung von Zinsgewinnen der EZB. Viel interessanter war da die erneute Leitzinserhöhung auf nunmehr 4,5 Prozent. Damit reagiert die EZB erneut auf den zunehmenden Inflationsdruck, der vor allem vom steigenden Ölpreis ausgeht. Dieser ist inzwischen auf dem höchsten Stand seit über zehn Jahren bei weit über 30 $ je Barrel.
Während Teile der Wirtschaft unter den durch die ungewöhnlichen Rohstoffpreise hohen Produktionskosten leiden, ergötzen sich andere am niedrigen Kurs zum Dollar. Auch der oberste Autofreund des Landes, Bundeskanzler Schröder, sieht in der Schwäche eher einen Grund zu Freude. Nach jahrelangem Wirtschaftswachstum in den USA und in Zusammenhang mit dem niedrigen Euro-Kurs sind deutsche Autos in den Vereinigten Staaten gefragt wie kaum jemals zuvor. Die Porsche-Aktie stieg deswegen in den letzten zwei Monaten um 35 Prozent, der Absatz glänzt auch bei anderen Firmen.
Inwieweit jedoch die Gesamtwirtschaft unter der jetzigen Situation leidet und ob es zu einem vorzeitigen Ende der recht guten Konjunktur in Europa kommt, entscheidet sich in den kommenden Monaten. Zwar wird der Euro den Dollar nicht so schnell einholen, eine gewisse Stabilität wäre jedoch immer zu seinem Vorteil.
© Jörg Steinhaus 2000
erschienen in Kronos. Nr. 10. Oktober 2000. Wirtschaft. Seite 7.